Vorwort
“Bei uns kommt es sehr schnell zu einem Abhaken, kaum zu einem echten Erleben.” Diese bemerkenswerte Kritik Christoph Feichtingers an unserer Zivilisation findet sich in einem Gespräch, das in der Publikation “Ferrogramme” (Edition Art Eibre, f 998) abgedruckt wurde. Der Satz sprang mir beim ersten Eesen sofort ins Auge, erweist er sich doch als Schlüssel zum ungewöhnlichen und ausserordentlich präzisen Werk des Künstlers, möglicherweise aber ebenso als eine Antwort auf zahlreiche Probleme unserer Tage.
“Haben viele Menschen in unserer Zeit das Sehen, das visuelle Verstehen, eben das echte Erleben” verlernt? Führt die oft zitierte Reizüberflutung unserer globalisierten Welt zu einer Flucht des Menschen in das Ritual der Alltagsroutine, die alles Unerwartete und Unbekannte sofort als Gefahr zu erkennen glaubt? Sehen viele nur mehr, was sie sehen wollen?
Jedenfalls ist das Werk Christoph Feichtingers nicht nur eine Quelle “emotionaler Energie” (dies ist übrigens ein Kernpunkt seines Kunstverständnisses), sondern auch eine Schule des Sehens und Verstehens. Beide Aspekte faszinierten mich von Anfang an gleichermassen und wurden zur Hauptmotivation, die Werke in Krakau zu präsentieren.
Bei der Entwicklung des Ausstellungsprojektes ergab sich freilich ein weiteres, sehr spannendes Element. Die Präsentation der “Ferrogramme” in der “Europäischen Kulturhauptstadt 2000 Krakau” wird zugleich zum Anlass der Begegnung dreier herausragender Persönlichkeiten. Der Schöpfer der “Ferrogramme” trifft auf Jozef Chrobak, Kurator der Galerie Krzysztofory und Mitglied der legendären “Grupa Krakowska”, einer Künstlervereinigung, die seit 1930 durch die Jahrzehnte hindurch immer sich selbst treu geblieben ist. Dies auch in schwierigsten Zeiten. Beide treffen im Rahmen dieser Ausstellung auf den Wiener Philosophen Rudolf Burger, unbestritten einen der originellsten und kompromisslosesten Denker des modernen Österreich.
Wichtig ist im Rahmen des Gesamtkonzeptes schließlich die Tatsache, dass die Ausstellung nach Polen in Israel zu sehen ist und somit zu einem künstlerischen Bindeglied zwischen Wien, Krakau und Tel Aviv wird.
In Anbetracht all dieser faszinierenden Facetten freut es mich besonders, dass die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich, Dr. Benita Ferrero-Waldner, gerade für dieses Projekt den Ehrenschutz übernommen hat. Dies ist eine Auszeichnung für den Künstler wie auch für das Ereignis als solches.
Im Katalog “Strich.Punkt.Bild”, herausgegeben 1999 aus Anlass der malerischen Gemeinschaftsarbeit Christoph Feichtingers mit dem chinesischen Maler Ei Yan Pin, schreibt Roman Baumgartner: “Die erste Erfahrung des Daseins ist Begegnung und diese Erfahrung ist für jedes fühlende Wesen das tiefste innerste Verspüren”.
In diesem Sinne hoffe ich, dass die Besucher der Ausstellung “Ferrogramme” in Krakau und Tel Aviv dieses Projekt sehr stark als Katalysator von Begegnungen – direkt wie auch indirekt -empfinden werden.
Ernst-Peter Brezovszky